Im Vorfeld eines Unternehmensverkaufs stellen sich viele Eigentümer die Frage, wie sie den Unternehmenswert gezielt steigern können, um im Verkaufsprozess einen optimalen Verkaufspreis zu erzielen. Dabei steht oft die Überlegung im Raum, durch Investitionen, Lageraufstockungen oder Personalmaßnahmen den Eindruck eines besonders leistungsfähigen Betriebs zu erzeugen. Doch nicht alles, was auf den ersten Blick nach Wertsteigerung aussieht, wird von Käufern tatsächlich honoriert. Entscheidend ist, welche Maßnahmen nachhaltig wertrelevant sind und welche lediglich als betriebswirtschaftlich neutral oder sogar als wertmindernd gelten.
Grundlage jeder Kaufpreisermittlung ist die Bewertung der zukünftigen finanziellen Leistungsfähigkeit. Im Fokus steht daher nicht der historische Bilanzwert oder die Höhe aktueller Vermögensgegenstände, sondern der künftig erzielbare Cashflow. Käufer betrachten Investitionen aus einer klaren ökonomischen Logik heraus: Nur wenn eine Maßnahme die zukünftigen Zahlungsströme nachhaltig positiv beeinflusst, schlägt sie sich auch im Unternehmenswert nieder. Das bedeutet: Substanz schlägt Kosmetik.
Unternehmerische Maßnahmen vor dem Verkauf sind also nur dann sinnvoll, wenn sie betriebsnotwendig, marktüblich und langfristig wirksam sind. Eine Lageraufstockung kurz vor dem Verkauf kann beispielsweise das Netto-Umlaufvermögen erhöhen und theoretisch den Kaufpreis anpassen. Praktisch jedoch nur dann, wenn dies im Rahmen vertraglich vereinbarter Zielwerte erfolgt und nicht als ineffiziente Kapitalbindung gewertet wird. Käufer reagieren sensibel auf unverhältnismäßig hohe Lagerbestände, da diese die Rentabilität belasten und Liquidität binden. Nur ein angemessenes, funktionales Umlaufvermögen erhöht tatsächlich den Unternehmenswert. Alles darüber hinaus wird kritisch hinterfragt.
Auch Investitionen in das Anlagevermögen müssen differenziert betrachtet werden. Erhaltungsinvestitionen, also Ersatzbeschaffungen zur Sicherstellung des laufenden Betriebs, werden als selbstverständlich angesehen und haben in der Regel keinen direkten Einfluss auf den Kaufpreis. Erweiterungsinvestitionen zur Kapazitätssteigerung oder Produktivitätsverbesserung hingegen, können wertsteigernd sein, sofern sie als betriebsnotwendig und wirtschaftlich sinnvoll gelten. Vorsicht ist geboten, wenn der Käufer den Investitionsbedarf anders bewertet oder plant, das Unternehmen nach der Übernahme in eine größere Struktur zu integrieren, können vorab getätigte Investitionen sogar als ineffizient oder unnötig gelten. Nicht selten werden daher in Kaufverträgen Zustimmungspflichten für größere Investitionen zwischen Unterschrift (Signing) und Vollzug der Transaktion (Closing) vereinbart.
Im Personalbereich ist insbesondere die Kontinuität des bestehenden Teams ein zentraler Aspekt der Kaufentscheidung. Maßnahmen zur Bindung von Schlüsselpersonen, etwa durch Halteprämien, Bonusprogramme oder langfristige Incentivierungen, können wertsteigernd wirken, wenn sie angemessen gestaltet sind und die zukünftigen Cashflows nicht übermäßig belasten. Unverhältnismäßige Gehaltsanpassungen, kurzfristige Neueinstellungen oder einschneidende strukturelle Änderungen kurz vor dem Verkauf wirken dagegen oft irritierend und führen zu detaillierten Prüfungen auf Käuferseite. Grundsätzlich gilt auch hier, alle Maßnahmen müssen dem Prinzip des „Ordinary Course of Business“, der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit folgen.
Käuferperspektive verstehen - Keine doppelten Wertansätze
Ein weitverbreiteter Irrtum vieler Verkäufer besteht in der Annahme, bestimmte Maßnahmen würden doppelt honoriert. Etwa als Bestandteil des Ertragswertes und zusätzlich über den Substanzwert. Diese Vorstellung eines sogenannten „Double Dip“ hält der Realität in professionell begleiteten M&A-Prozessen jedoch nicht stand. Käufer prüfen genau, ob Investitionen betriebsnotwendig sind. Falls ja, fließen sie in die Cashflow-Prognose ein und sind damit im Ertragswert berücksichtigt. Falls nicht, werden sie separat bewertet. Allerdings meist nur mit ihrem Liquidationswert. Eine doppelte Berücksichtigung im Kaufpreis findet nicht statt.
Besondere Aufmerksamkeit schenken Käufer Maßnahmen, die langfristig wirken und strukturelle Verbesserungen bewirken. Dazu zählen beispielsweise die Einführung eines transparenten Berichtswesens, die Digitalisierung von Prozessen, ein funktionierendes Controlling sowie saubere Verträge mit Kunden und Lieferanten. Diese Punkte erhöhen nicht nur die Planungssicherheit, sondern auch die Integrationsfähigkeit des Unternehmens. Dies ist ein wichtiges Kaufmotiv vieler strategischer Investoren.
Letztlich werden Käufer von Mittelstandsunternehmen nicht durch kurzfristige kosmetische Maßnahmen überzeugt, sondern durch Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Zukunftsfähigkeit. Ein klares Verständnis der Bewertungslogik, die gezielte Vorbereitung auf Käuferfragen und die frühzeitige Herstellung von Verkaufsbereitschaft entscheiden darüber, ob ein Unternehmen im Verkaufsprozess als solide und attraktiv wahrgenommen wird oder ob es Nachverhandlungen, Unsicherheit und Preisabschläge riskiert.