Unternehmensnachfolge - Wo sind die Unternehmer geblieben

Unternehmensnachfolge: Wo sind die Unternehmer geblieben?

Der deutsche Mittelstand steht vor einer tiefgreifenden Herausforderung, die sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird: Der Engpass bei Unternehmensnachfolgen bedroht zunehmend die Stabilität und Zukunftsfähigkeit vieler Betriebe. Immer mehr Unternehmer, die jahrzehntelang ihre Unternehmen aufgebaut und erfolgreich geführt haben, möchten sich aus dem Erwerbsleben zurückziehen. Laut KfW-Mittelstandspanel planen insgesamt rund 231.000 Unternehmen, ihr Geschäft bis Ende 2025 aufzugeben. Gleichzeitig gibt es etwa 215.000 Unternehmen, die im selben Zeitraum kurzfristig eine Nachfolge anstreben. Doch sie stoßen auf eine ernüchternde Realität: Die Zahl der potenziellen Nachfolger bleibt besorgniserregend gering.

Insbesondere die Bereitschaft, ein bestehendes Unternehmen zu übernehmen, ist erschreckend schwach ausgeprägt. Während Gründungen im Bereich Startups – insbesondere im digitalen Umfeld – noch eine gewisse Attraktivität genießen, fehlt es an Interessenten, die bereit sind, die Nachfolge in klassischen, oft handwerklich oder industriell geprägten Mittelständlern anzutreten. Es zeigt sich ein bedenkliches Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, das langfristig Lücken in den Führungsetagen zahlreicher mittelständischer Unternehmen hinterlassen wird.

Hinzu kommt, dass die wenigen Interessenten, die sich überhaupt für eine Übernahme bestehender Unternehmen interessieren, oft keine Bereitschaft zum persönlichen Risiko mitbringen. Viele Käufer erwarten vom Verkäufer Kaufpreisstrukturen, die ihr eigenes Risiko auf ein Minimum reduzieren. Dies äußert sich zunehmend in Kaufpreiselementen wie Verkäuferdarlehen oder Besserungsscheinen (Earnout-Regelungen). Was früher eine sinnvolle Möglichkeit war, um die Interessen beider Seiten auszubalancieren, nimmt mittlerweile teils dreiste Züge an. Käufer verlangen in vielen Fällen eine derart hohe Risikoübernahme durch die Verkäuferseite, dass diese faktisch weiterhin am unternehmerischen Risiko beteiligt bleibt – trotz vollständiger Übergabe des Unternehmens.

Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen auf: Wo sind die mutigen Unternehmerpersönlichkeiten geblieben, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und für die eigene Zukunft einzustehen? Hat sich die Risikobereitschaft einer ganzen Generation verflüchtigt – oder sind es die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Unternehmertum zunehmend unattraktiv erscheinen lassen?

Klar ist: Wenn diese Trends anhalten, droht dem deutschen Mittelstand nicht nur ein akuter Führungsvakuum, sondern auch ein Verlust an Innovationskraft, wirtschaftlicher Vielfalt und regionaler Verwurzelung. Eine Gesellschaft ohne mutige Unternehmer verliert auf Dauer einen wichtigen Teil ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Identität.

Es ist höchste Zeit, das Unternehmertum – insbesondere die Unternehmensnachfolge im Mittelstand – wieder attraktiver zu gestalten. Dafür braucht es vor allem bessere finanzielle Rahmenbedingungen und gezielte staatliche Anreize, um die Übernahme bestehender Unternehmen attraktiver zu machen. Steuerliche Erleichterungen bei der Unternehmensnachfolge, etwa durch die Reduzierung der Erbschaft- und Schenkungssteuer oder die Einführung von steuerlichen Freibeträgen für Übernehmer, könnten hier spürbare Impulse setzen. Auch verbesserte Förderprogramme, die nicht nur die klassische Existenzgründung, sondern explizit die Übernahme etablierter Unternehmen unterstützen, wären dringend erforderlich. Diese könnten beispielsweise zinsgünstige Nachfolge-Kredite umfassen oder teilweise Ausfallbürgschaften anbieten, um potenziellen Nachfolgern die Angst vor dem Risiko zu nehmen.

Ein effizienterer Bürokratieabbau, insbesondere bei der Finanzierung und Genehmigung von Nachfolgeprozessen, würde ebenfalls helfen, die Hürden für potenzielle Übernehmer zu senken. Wenn es gelingt, hier attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen, wird sich auch die Bereitschaft erhöhen, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen.

Letztlich ist eine gesunde Unternehmerkultur untrennbar mit einem Umfeld verbunden, das Leistung honoriert, unternehmerischen Mut belohnt und die Übernahme bestehender Unternehmen nicht nur als wirtschaftliche Chance, sondern auch als gesellschaftlich wertvollen Beitrag anerkennt. Ohne bessere finanzielle Anreize und unterstützende Rahmenbedingungen bleibt der Unternehmensnachwuchs aus – mit spürbaren Folgen für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland.